Scrum: Auswirkungen auf Produktivität
Die Einführung von Scrum bedeutet eine sehr signifikante Änderung für jede Organisation. Umso wichtiger ist es zu verstehen, warum eine Organisation einen solchen Weg einschlagen sollte. In diesem Beitrag möchte ich über die Vor- und Nachteile von Scrum für die Produktivität der Organisation sprechen.
Vereinfacht gesagt ist Produktivität das Ergebnis der Multiplikation aus Effektivität und Effizienz. Effektivität ist die Fähigkeit das Richtige zu tun. Effizienz ist die Fähigkeit ein Ziel mit minimalen Ressourcen (Zeiteinsatz, Kosten) zu erreichen. Es ist wichtig diese beide Dimensionen von Produktivität separat zu betrachten.
Effektivität vs Effizienz in Scrum
1. Scrum sollte vor allem in Umgebungen eingesetzt werden, wo Effektivität eine Herausforderung darstellt. Beispiele wären Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, Marketing oder andere Bereiche in denen es eine inhärente Unsicherheit darüber gibt, welche Handlungen zum gewünschten Ziel führen. Gegenbeispiel wäre die Produktion von Nägel.
2. In Verbindung damit können einzelne Aspekte von Scrum durchaus eine abschwächende Wirkung auf die Produktivität haben. Wenn man sich dieser Aspekte bewusst ist, kann man die Entscheidung für oder gegen eine Einführung von Scrum viel besser angehen.
Steigerung der Effektivität durch Scrum
Eine Entscheidung für Scrum sollte vor allem eine Entscheidung für nachhaltige Effektivität sein. Effizienz steigert man besser mit anderen Werkzeugen.
+ Für fast alle Dinge an denen wir arbeiten gilt die Pareto-Regel: 80% der Ergebnisse werden mit 20% der eingesetzten Ressourcen erreicht. 20% der Marketing Aktionen bringen 80% der Kunden, nur 20% der Features werden von Kunden wirklich genutzt, etc. Scrum führt das Product Backlog und die Rolle des Product Owners ein. Dessen Hauptaufgabe ist es diese 20% der wichtigsten Arbeit zu identifizieren und oben im Product Backlog zu stellen. Das Team arbeitet nur an dem was im Product Backlog steht. Ergebnis: die Organisation konzentriert sich nur auf die wertvollsten Ideen.
Das steht im Gegensatz zu traditionell arbeitenden Organisationen. Diese haben in der Regel nicht die Möglichkeit die Richtung der Arbeit ihrer Teams so zu steuern wie mit Scrum – es werden keine kompletten Produkt-Inkremente geliefert. Außerdem haben sie i.d.R. keine Person, die sich mit der Optimierung des Return on Investment der Arbeit der Teams befasst und schnell entscheidet. Stattdessen wird sehr viel langsamer in Gremien wie Steering Committees entschieden.
+ Scrum führt Iterationen ein – Sprints. Ein Sprint dauert maximal 30 Tage, in der Regel eher 1-2 Wochen. Am Ende jeden Sprints gibt es ein Arbeitsergebnis, welches vom Kunden und Stakeholder inspiziert wird. Das findet im Sprint Review statt. Genau hier lernt die Organisation, ob die bisherige Richtung der Mannschaft richtig war und passt diese entsprechend an. Der nächste Sprint hat dann ein vom vorherigen Sprint unabhängiges Ziel. Dadurch kann die Mannschaft ihre Richtung in jeder Iteration immer wieder korrigieren. Traditionell arbeitende Organisationen bekommen Feedback in der Regel sehr viel später und unregelmäßig und haben dann auch Schwierigkeiten das Feedback in die Tat umzusetzen.
+ Auch die Transparenz aller Artefakte und Prozesse in Scrum führt dazu, dass Feedback von Außenstehenden leichter geäußert und empfangen werden kann. Das führt grundsätzlich zu häufigeren und leichteren Anpassungen der Arbeitsrichtung.
Product Owner Zertifizierung
Wenn Sie in diese Themen tiefer eintauchen möchten, heißen wir sie gern in einem unserer Product Owner Trainings willkommen.
Zum Training mit Product Owner Zertifizierung
Schwächung der Effizienz durch Scrum
Hier möchte ich explizit über Elemente von Scrum sprechen, die die Effizienz im Vergleich zu einer traditionellen Organisation schwächen. Es ist wichtig zu verstehen, dass wenn man versucht diese zu vermeiden, man in der Regel auch nicht die anderen hier aufgezählten produktivitätssteigernden Vorteile von Scrum erhält.
Scrum bricht mit traditionellen Bindung einer Person an ihre Spezialqualifikation. Die Arbeit im Team erfordert es regelmäßig, dass Menschen in anderen Bereichen tätig sind, wo sie weniger Erfahrung und Fähigkeiten haben. Typische Beispiele sind: Tester, die designen oder Code schreiben, Business Analysten, die Produkte testen oder Entwickler – die das Produkt Kunden vorstellen oder selbst Spezifikationen schreiben. Dieser Bruch ist keine Ausnahme, sondern die Regel und er verringert die Effizienz auf zweierlei Wegen:
– Die Auslastung der Mitarbeiter mit spezieller Qualifikation für ihren Spezialbereich ist geringer.
– Mitarbeiter brauchen permanent Zeit um neue Fähigkeiten zu lernen. Das passiert nicht nur am Anfang sondern, ist ein permanenter begleitender Teil der agilen Arbeit. Jede agile Organisation bestärkt und unterstützt ihre Mitglieder darin neue Dinge zu lernen und stellt ihnen dafür explizit Zeit zur Verfügung.
Diese beiden Elemente sind nur auf den ersten Blick Nachteile. Tatsächlich sind es permanente Investitionen in die Anpassungsfähigkeit der Organisation. Eine Organisation, die sich auf die Reise nach mehr Agilität begibt, sollte sich dessen bewusst sein, dass es zunächst kurzfristig eine große Investition bedeutet und auch langfristig eine Investition bleibt.
Steigerung der Effizienz durch Scrum
Scrum hat aber auch einige Faktoren, die die Effizienz einer Organisation gegenüber der traditionellen Art zu Arbeiten steigern.
+ Der Aufbau der Organisation in funktionsübergreifende Teams verringert den Managementaufwand dramatisch. Lesen sie hier mehr dazu.
+ Selbstorganisation innerhalb des Teams verringert die Zeit für die Koordination der Arbeit im Vergleich zu einem von Außen organisierten Team.
+ Scrum verschiebt die Verantwortung für die Qualität des Produkts vollständig zur Entwicklungsmannschaft. Solche Mannschaften haben einen natürlichen Anreiz, ihr Produkt für sich haltbar zu gestalten. Dadurch sind die Kosten für Weiterentwicklung und Instandhaltung geringer als bei traditionellen Organisationen, in denen die Entwickler das Produkt für jemanden „anderen“ bauen. Diese Verantwortungswechsel führt auch dazu, dass Teammitglieder ihre Lernzeit dazu nutzen ihre Arbeitspraktiken ständig weiter zu verbessern, was langfristig zu höherer Effizienz jedes Einzelnen führt.
+ Das Team reflektiert regelmäßig über seine Arbeitspraktiken in der Sprint Retrospective. Dadurch wird nicht eine gesunde Team-Dynamik aufrechterhalten, sondern auch regelmäßig Potentiale für Beschleunigung und Entschlackung in der Arbeitsweise der Mannschaft aufgedeckt.
+ In traditionellen Organisationen passieren in der Regel viele Dinge gleichzeitig. Das führt zu häufigen Wechseln der Aufmerksamkeit und dadurch zu Ineffizienzen. In Scrum hat das Team ein klares Ziel für jeden Sprint, dieses wird während des Sprints nicht geändert. Das ermöglicht es dem ganzen Team sich zu fokussieren und vermeidet so Reibungsverluste.
+ Die Transparenz die Scrum mit Artefakten schafft und die Vorhersagbarkeit, die durch den sich wiederholenden Rhythmus reinkommt, verringern die Notwendigkeit von außerplanmäßigen Meetings. Das bringt Ruhe in die Arbeit und verringert Zeit, die in traditionellen Organisationen für das Anberaumen von Meetings investiert wird.
Dies war nur eine kurze Vorstellung der wichtigsten Aspekte. Wenn sie diese tiefer verstehen möchten, besuchen Sie eines unserer Scrum-Trainings oder lesen sie die anderen Beiträge in diesem Blog.
Scrum Master Training mit Zertifizierung
Manche sagen Scrum wäre leicht zu verstehen, aber schwer zu meistern. Wir legen Wert darauf, dass Sie alle Rollen, Events und Artefakte verstehen und unmittelbar selbst anwenden.
Training zur Scrum Master Zertifizierung
War das ein hilfreicher Artikel? Schreiben sie uns auf Twitter an oder schicken sie uns eine E-Mail. Wir freuen uns sehr über Rückmeldungen.
(Bildquelle: pixabay.com)
Dieser Wissensbeitrag wurde von Anton Skornyakov geschrieben und zuletzt am 23.12.2020 aktualisiert.