Geschrieben von Fachexperten: Anton Skornyakov, Certified Scrum Trainer® und Timon Fiddike, Certified Scrum Trainer®
Agile Coach – Was heißt das?
Der Begriff Agile Coach wird in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich benutzt. In diesem Artikel erklären wir im Detail, was der Begriff für uns bedeutet.
Inhaltsverzeichnis
- Agile Coach – Was heißt das?
Ein Agile Coach (oder auf Deutsch „agiler Coach“) ist für uns eine Person, die Organisationen dabei unterstützt, anpassungsfähig und selbstlernend zu werden. Das Ergebnis der Arbeit eines agilen Coachs sind einerseits geänderte Prozesse in einer Organisation, und andererseits auch eine Organisation, die ihre Prozesse bei Bedarf selbstständig ändert. Dabei sind die Prozesse „nur“ ein von außen beobachtbarer Aspekt der Veränderung. In der Zusammenarbeit haben sich in der Regel auch die gelebten Werte, Glaubenssätze, Fähigkeiten und das Wissen der einzelnen Personen in der nun selbstlernenden Organisation geändert.
Agiler Coach vs. Unternehmensberater
Agile Coaching lässt sich gut von der klassischen strategischen Unternehmensberatung abgrenzen. Ein Berater löst typischerweise eine Aufgabe für seinen Kunden und übergibt ihm eine Lösung. Ein Coach unterstützt einen Klienten dabei zu lernen, wie er seine Aufgabe selbst löst. Beide Dienstleistungen sind in unterschiedlichen Kontexten wertvoll.
Unser Kontext ist typischerweise die Struktur, mit Hilfe derer die Arbeit in einer Organisation verrichtet wird. Hierzu gehören vor allem Rollen, Verantwortlichkeiten, Meetings und Zwischenergebnisse der einzelnen Personen und Gruppen. Für diesen Kontext ist Coaching aus unserer Sicht die sinnvollste und nachhaltigste Herangehensweise. Schließlich kann nur der Kunde selbst langfristig die Verantwortung für seinen eigenen Prozess tragen.
Ein Außenstehender trägt langfristig nicht die Konsequenzen seiner Vorschläge. Deshalb geht es nicht darum, die „richtige“ Lösung vorzuschlagen. Viel wichtiger als die „richtige“ Lösung (für den einen Moment) ist die kontinuierliche Anpassung der Prozesse an sich ändernde Erfordernisse. In uns bekannten Organisationen ändern sich die Gegebenheiten signifikant auf monatlicher, wöchentlicher und manchmal täglicher Basis. Ein Vorschlag für Prozesse ist daher schnell veraltet, auch wenn er heute vielleicht die beste Lösung darstellt. Und deshalb ist es am nachhaltigsten, wenn eine Organisation lernt, bei eigenen Prozessveränderungen immer wieder sicherzustellen, dass diese auch wirklich dem eigenen langfristigen Erfolg dienen.
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Was bedeutet der Begriff „Agile“?
Was versteht man unter dem Adjektiv „agile“ oder agil in diesem Zusammenhang? Das Wort agil wird in der deutschen Sprache eher selten verwenden, genau so wie das Wort „agile“ in der englischen Sprache. Es hilft sich die Entstehungsgeschichte anzuschauen, um besser zu verstehen, was damals gemeint war. In 2001 in Snowbird, im US-Bundesstaat Utah, wurde das Agile Manifest geschrieben. Damals wurde der Begriff „Agile Software Development“ zum ersten mal benutzt. Es standen zunächst mehrere andere Begriffe zu Auswahl. Dabei waren unter anderem adaptiv („adaptive“) und flexibel („flexible“).
Laut Craig Larman hätte „adaptive“ die Wahl fast gewonnen. Nur hatte einer der Teilnehmer – Jim Highsmith – zuvor schon ein Framework mit dem Namen „Adaptive Software Development“ beschrieben und zusätzlich hatte er eine Firma, die so hieß etc. Es war den Beteilligten zudem wichtig ein Wort zu finden, welches alle dort versammelten Werkzeuge und Ansätze (Scrum, Extreme Programming, Crystal, Clean Code und weitere) zusammenfassen konnte.
Mit Agile ist also gemeint, dass die Entwicklungarbeit flexibel und adaptiv bzgl. der sich ändernde Umgebung ist. Ein Agile Coach ist also jemand der ein Unternehmen darin unterstützt die Organisation flexibler und adaptiver zu machen.
Was tun wir als Agile Coaches?
Reflektieren oder Spiegeln
Ein Coach beobachtet und reflektiert seinem Klienten solche Beobachtungen, die ihm dabei helfen können bewusster zu werden. Im agilen Kontext braucht diese Fähigkeit vor allem praktische Erfahrung in vielen verschiedenen Organisationen. Die Erfahrung hilft dabei, die Prinzipien hinter der Agilität nicht nur in der Theorie zu kennen, sondern auch in der Realität deren (Nicht-)Anwendung zu erkennen und das Gesehene wertschätzend zu kommunizieren. Reflexion ist ein kontinuierlicher Teil von agilem Coaching. Am Anfang einer Zusammenarbeit bietet sich in der Regel die Gelegenheit für eine explizite Zeit der Beobachtung und Reflexion. Dies generiert einerseits sofort einen Mehrwert, da sich schon bei der Reflexion häufig Dinge verändern. Gleichzeitig hilft es dem Agile Coach und der Organisation einander kennen zu lernen und mögliche weitere Schritte zu definieren. Wir nennen dies Schulterblick (oder Agile Assessment).
Training
Wenn es für den Klienten hilfreich ist, nimmt ein Agile Coach die Rolle des Trainers ein, um Inhalte interaktiv zu vermitteln. Einige typische Themen solcher Trainings sind Agilität, Produkt Owner, Scrum Master, Kommunikation, Kanban oder Scrum in großen Organisationen.
Wir bieten selbst regelmäßig offene Trainings unter anderem zur Scrum Master Zertifizierung und Product Owner Zertifizierung an. Trainings sind ein typischer Bestandteil einer agilen Transition.
Coaching
Wenn eine Organisation die ersten Schritte hin zur Agilität geht, bedeutet das in der Regel auch ein schrittweises Loslassen durch Führungspersonen – weniger direkte Anweisungen, mehr Entscheidungsraum für die Geführten. Dieses Loslassen ist kein passives Nichts-Machen und Beobachten. Im Gegenteil, weniger direkte Anweisungen bedeuten, dass die Führungsperson auf einer anderen Ebene anfängt mehr zu zu leisten. Mehr Kontext und Rahmen klären und gestalten, mehr direkte Interaktionen fördern, mehr Fragen stellen etc. Das ist ein persönlicher Umstellungsprozess, bei dem die Unterstützung durch einen erfahrenen Coach sehr hilfreich sein kann. Wenn sie diese Dinge lernen möchten, empfehlen wir eins unserer offenen Certified Agile Leadership Trainings zu besuchen.
Während die Führung lernt „am System“ zu arbeiten statt „im System“, gibt es für die Geführten typischerweise auch neue Herausforderungen. Für sie geht es darum, für neue Bereiche Verantwortung zu übernehmen. Mit neuer Verantwortung kommen neue Möglichkeiten zu scheitern. Ein Coach hilft im bewussten Umgang mit den damit verbundenen Ängsten, so dass am Ende die eigenen (Lern-)Erfolge die Ängste überwiegen.
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Coaching in Organisationsdesign und Struktur
In großen Organisationen bestimmt der Faktor – Organisationsstruktur – die Adaptivität stärker als alle anderen Faktoren. Organisationsstruktur bedeutet hier: Hierarchien, Rollen- und Teamdefinitionen und damit zusammenhängende Verantwortungsstrukturen, Gehaltsstrukturen und Anreizsysteme, Budgetplanungsprozesse etc.
In kleinen Organisationen können mögliche Dysfunktionen, die aufgrund von nicht durchdachter Struktur entstehen, schnell in persönlichen Gesprächen behoben werden. Schließlich kennen sich die meisten Mitarbeiter und es gibt eine persönliche informelle Verbindung zwischen den verschiedensten Hierarchieebenen. Das verändert sich mit der Größe der Organisation.
Hier hilft ein Agile Coach seinem Klienten dabei:
- die Auswirkungen des aktuellen Organisationsdesigns auf die Ziele des Kunden zu verstehen
- sich bewusst Ziele zu setzen
- mögliche Änderungen des Organisationsdesign zu durchdenken und als Experiment zu gestalten
- diese Experimente auszuführen und daraus zu lernen
Auf diese Weise entsteht ein Lernzyklus in der Führungsebene in Bezug auf die Veränderungen in der Organisationsstruktur und deren Auswirklungen.
Mentoring
Manchmal ist es für unsere Klienten wertvoll, dass wir für eine begrenzte Zeit als Mentor oder Rollenmodell tätig werden. Als Rollenmodell moderieren wir beispielsweise eine erste Retrospektive, um einem neuen Scrum Master einen lebendigen Eindruck davon zu vermitteln, wie man eine Retrospektive moderiert. Wenn gewünscht, unterstützen wir bei Bedarf auch mit Vorschlägen, um Klienten neue Optionen zu eröffnen. Die Entscheidung eine Option zu erproben bleibt aber jederzeit beim Klienten.
Als Mentoren sind wir zum Beispiel dann tätig, wenn wir eine Person bei ihrer Arbeit beobachten und ihr dann konkrete Verbesserungsvorschläge präsentieren und mit ihr diskutieren. Diese Rolle macht vor allem am Anfang einer Zusammenarbeit Sinn und sollte im Verlauf einer agilen Transition in den Hintergrund treten.
Facilitation
Das Finden von Lösungen, eine klare Kommunikation und das gemeinsame Treffen von Entscheidungen sind häufig Herausforderungen in Organisationen. Das wird nicht unbedingt leichter für diejenigen, die sich in einem Wandel befinden. Wir helfen als erfahrene Facilitatoren, so dass Gruppen auch auch schwierige und komplizierte Probleme schnell gemeinsam lösen können.
Gerade am Anfang einer agilen Transition kommt es häufig vor, dass die Führungsebene in Workshops verschiedenen Entscheidungen gemeinsam treffen möchte, um die beginnende Maßnahme gut aufzusetzen.
Agiler Coach oder Scrum Master
In Scrum gibt es eine explizite Rolle für einen Agile Coach. Sie heißt in diesem Rahmenwerk „Scrum Master“. Wir haben einen ausführlichen Beitrag über den Scrum Master geschrieben. Dort findet man die verschiedenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Tätigkeiten eines Scrum Masters beschrieben und mit typischen Beispielen aus dem Arbeitsleben plastisch erklärt. Alles dort geschriebene gilt auch für einen Agile Coach.
Heute beobachten wir häufig, dass Menschen als Scrum Master bezeichnet werden, die mit einem oder wenigen Entwicklungsteams direkt zusammenarbeiten. Als Agile Coaches werden dann ihre erfahreneren Kollegen bezeichnet, die mit dem Management arbeiten, Trainings geben etc. Natürlich ist es verständlich, dass sensiblere Aufgaben von erfahreneren Kollegen übernommen werden. Grundsätzlich gehört die Arbeit mit dem Management auch zur Rolle des Scrum Masters. Und ein großartiger Scrum Master versteht viel mehr als nur Scrum.
Scrum Coach oder Agile Coach
Für uns bedeutet der Begriff Scrum Coach deshalb einen Agile Coach, der sich auf die Einführung und Unterstützung von Organisationen in Scrum spezialisiert hat. Genau wie ein guter Scrum Master sollte auch diese Person ihr Wissen nicht nur auf Scrum beschränken. Typischerweise berät ein Scrum Coach ein Unternehmen auch in Organisationsdesign, da die Einführung von Scrum auch fast immer mit einer Veränderung der Organisationsstruktur einher geht.
Wie wird man Agile Coach?
Zu dieser Frage haben wir einen Beitrag mit dem Titel: Agile Coach Ausbildung geschrieben.
Uns ist kein „Standardweg“ bekannt, um ein agiler Coach zu werden. Viele starten als Entwickler, einige sind Organisationscoaches und wieder andere sind zuerst Manager. Wir planen unsere eigenen Pfade zum Agile Coach in zukünftigen Beiträgen noch detaillierter zu beschreiben.
Ein erster Schritt ist typischerweise, sich formal mit Agilität und Scrum zu beschäftigen. Dazu empfehlen wir unsere Trainings, insbesondere das Training zur Scrum Master Zertifizierung. Hier vermitteln wir das grundlegende Wissen und die Grundlagen der oben aufgeführten Fertigkeiten.
Über die Autoren
Anton Skornyakov
- Seit 2008 auf dem Pfad der Agilität
- Erfahrung als Entwickler im Team, Scrum Master, Product Owner, Geschäftsführer und Coach
- Höchste Zertifizierung: Certified Scrum Trainer® (weltweit ca. 220 Personen) für die Scrum Alliance®
- Projekte in StartUps, KMU, Konzernen, Non-Profits und öffentlichen Institutionen
- Begeistert für neue Führung & Agilität außerhalb von Produktentwicklung
- Buchautor und Speaker auf vielen Konferenzen
- Geschäftsführer der Agile.Coach GmbH & Co. KG
Dr. Timon Fiddike
- Seit 2010 auf dem Pfad der Agilität
- Erfahrung als Entwickler im Team, Product Owner, Scrum Master, Geschäftsführer und Coach
- Höchste Zertifizierung: Certified Scrum Trainer® (weltweit ca. 220 Personen) für die Scrum Alliance®
- Erfahrung in Startup, Mittelstand & Konzern
- Integraler Coach – Ausbildung nach ICF ACTH-Standard
- Unterstützt mit Begeisterung das menschliche Wachstum, das agile Arbeit ermöglicht
- Geschäftsführer Agile.Coach GmbH & Co. KG