Worauf sollte eine Organisation zu Beginn ihrer Reise zu mehr Agilität den Fokus legen? Kürzlich habe ich eine LinkedIn-Umfrage dazu durchgeführt und gefragt:

Zunächst ein großes Dankeschön an alle, die teilgenommen haben.
Einige Ergebnisse haben mich überrascht – insbesondere die starke Unterstützung für das Daily Scrum und das Sprint Planning. Aus den Kommentaren zu diesen beiden Events konnte ich diese Stimmen jedoch verstehen. Jeder hat eine eigene Interpretation der Situation, die ich nur sehr kurz beschrieben hatte (140 Zeichen Limit …). Keine Überraschung war, dass die Sprint-Retrospektive gewonnen hat – Agile Coaches favorisieren sie oft.
Meine gegenteilige Sichtweise möchte ich hier erklären. Ich glaube, hier liegt eine essenzielle Diskussion, die bei jeder Organisationsveränderung eine Rolle spielt, unabhängig davon, ob es etwas mit Agilität zu tun hat. Und am Ende teile ich noch mein Highlight aus der Umfrage: den aufschlussreichen Kommentar von Diana Larsen.
Warum ist das überhaupt wichtig?
Man kann Scrum nicht einfach implementieren, indem man nur ein Event einführt. Einige fanden es schwer, sich für eine Antwort zu entscheiden – und das zu Recht. Scrum funktioniert nur als Ganzes.
Allerdings sträuben sich viele Organisationen oft davor, Scrum als Gesamtpaket umzusetzen. Ein Agile Coach ist wie ein Tour-Guide, der eine Organisation durch einen ihr noch unbekannten Ort führt und dabei auf spannende Dinge hinweist. Dieses Lenken der Aufmerksamkeit auf eine oder wenige essenzielle Punkte ist eine der wichtigsten Aufgaben. Ohne diesen wichtigen Service sind die Menschen leichter überwältigt von allem Neuen und können viel schlechter lernen und dieses Neue annehmen.
Hier geht es nicht ums Recht haben
Ich teile meine Perspektive nicht, um zu sagen, was richtig oder falsch ist. Alle, die mitgemacht haben, hatten eine einzigartige Kontext-Situation vor Augen, in der wahrscheinlich ihre Antwort die beste gewesen wäre. Sogar wenn zwei Menschen denselben Kontext betrachten, würden sie unterschiedliche Maßnahmen vorschlagen, von denen keine, eine oder beide funktionieren könnten. Ich teile deshalb auch meine Geschichten, weil die Vielfalt der Erfahrungen solche Diskussionen wertvoll und lehrreich macht.
Hier also meine (etwas weniger populäre) Meinung:
Sprint Review – Wirkung inspizieren ist entscheidend
Wenn ich nur ein einziges Scrum-Event einführen könnte, wäre es das Sprint Review – der zentrale Moment, in dem Teams den Wert ihrer Ergebnisse bewerten und diskutieren.
Daniel brachte es in seinem Kommentar gut auf den Punkt:

Lassen Sie mich das anhand zweier gegensätzlicher Erfahrungen aus meiner Laufbahn veranschaulichen:
Story: (Fast) perfektes Scrum, aber keine Wirkung
In einem Unternehmen, in dem ich tätig war, wurden alle Scrum-Praktiken jahrelang akribisch befolgt – detaillierte Planung, gute Zusammenarbeit, produktive Diskussionen, kontinuierlich hochwertige und auslieferbare Inkremente. Die technische Exzellenz war beeindruckend. Doch ein entscheidendes Element fehlte: echtes Nutzerfeedback.
Die Sprint Reviews fanden mit dem Management statt, das höflich Lob und gelegentlich Kritik äußerte. Doch die Entwickler wurden nie mit der harten Realität konfrontiert: Kaum jemand nutzte ihr Produkt. Die Sprint-Retrospektiven waren ehrlich und konstruktiv. Das Problem der suboptimalen Sprint Reviews wurde auch angesprochen, aber Team-Vorschläge führten nicht zu Veränderungen. Wenig überraschend existiert dieses Produkt heute nicht mehr.
Story: Echte Rückmeldungen lösen andere Prozesse aus
In der Anfangszeit meines dritten Startups, WorkHub, hatten wir kaum Prozesse, aber wir versuchten, den Prinzipien von Lean Startup zu folgen. Nach einigen Monaten Arbeit an einem Plan merkten wir, dass uns das Gefühl von Fortschritt abhandenkam. Da erinnerten wir uns an Steve Blanks Rat: „Get out of the building.“
Wir pausierten die Produktentwicklung für den breiten Markt, erstellten einen testbaren Prototyp und verbrachten einen Tag damit, potenzielle Nutzer im öffentlichen Nahverkehr direkt anzusprechen und mit ihnen unser Produkt zu testen. Das half uns nicht nur, unsere Annahmen zu validieren. Es war ein wichtiger Impuls auf der Prozessebene. Das Feedback und die Erfahrungen führten automatisch zu mehr retrospektiv-artigen Gesprächen, das gemeinsame Verantwortungsgefühl verstärkte sich, und die Zusammenarbeit verbesserte sich erheblich.
Übrigens existiert WorkHub heute auch nicht mehr. Eine andere Herausforderung – sicherzustellen, dass der Wert für zahlende Kunden die Betriebskosten übersteigt – wurde zwar kontinuierlich überprüft, aber wir sind hier dennoch gescheitert. Doch jedes Mal, wenn wir echtes Kundenfeedback erhielten, blieb das Team fokussiert und lernte aus dem Prozess.
Der härteste, aber wertvollste Schritt
Diese Erfahrung – wie echtes Feedback aus der realen Welt alle anderen Prozesse verändert – hat meine Überzeugung gefestigt: Der schmerzhafteste, aber notwendigste Schritt hin zu mehr Agilität ist es, Wege zu schaffen, um schnell und bedeutsam Feedback zu den Ergebnissen der eigenen Arbeit zu erhalten.
Deshalb bin ich der Meinung, dass die Fähigkeit, Zwischenresultate zu definieren, die solches direktes Feedback ermöglichen (Inkremente oder Slices), eine zentrale, aber oft vernachlässigte Disziplin ist. Genau aus diesem Grund habe ich The Art of Slicing Work geschrieben.
Highlight zum Schluss
Mein persönliches Highlight war der Denkanstoß von Diana Larsen (Co-Autorin des Klassikers Agile Retrospectives: Making Good Teams Great):

Wenn wir nicht bereit sind, auch mal überrascht zu werden und zu lernen, wird keines dieser Events irgendeinen Einfluss haben.