Unsere Welt wird immer unberechenbarer. In den letzten Jahren mussten wir durch globale Krisen wie die Pandemie, geopolitische Spannungen, Lieferketten-Störungen, den Wandel zu hybrider Arbeit und den rasanten Aufstieg der generativen KI navigieren. Veränderungen geschehen schneller und unerwarteter, und alles wird komplexer und unsicherer. Dieses Phänomen wird häufig als VUCA bezeichnet. Und es zeigt sich nicht nur in den großen globalen Ereignissen, sondern auch in den vielen kleineren, alltäglichen Überraschungen, die unsere Projekte und Entscheidungen ins Wanken bringen – besonders dann, wenn wir uns in unbekannten oder neuen Situationen wiederfinden.
Wie aber kann man unter solchen Voraussetzungen erfolgreich sein?
Effectuation ist ein noch junges Gebiet der Entrepreneurship-Forschung, das sich seit Beginn der 2000er Jahre damit beschäftigt, wie erfolgreiche Unternehmer mit Ungewissheit umgehen. Wie schaffen es Gründerinnen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten, wenn das Umfeld unsicher ist und exakte Vorhersagen und Planungen nicht möglich sind?
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass unternehmerisches oder effektuierendes Handeln oft deutlich von traditionellen Management-Methoden zur Planung und kausalen Steuerung abweicht – und gerade das führt zum Erfolg in unsicheren Situationen. Wenn es noch keinen Markt gibt oder dieser sich stark verändert, ist umfangreiche Marktforschung oft reine Zeit- und Geldverschwendung. Im schlimmsten Fall verlassen wir uns auf diese teuren und lang erarbeiteten Ergebnisse und treffen dadurch falsche Entscheidungen.
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Effectuation: 4+1 Prinzipien im Überblick
In Verlauf der Forschung wurden 4+1 Prinzipien identifiziert, nach denen erfolgreiche Entrepreneure unter Ungewissheit entscheiden und handeln:
- Mittelorientierung
- Leistbarer Einsatz
- Partnerschaften
- Zufälle nutzen
und
- Zukunft gestalten
Was bedeuten diese Effectuation-Prinzipien im Detail?
Mittelorientierung
Ein Ziel bleibt nur ein Traum, wenn dir die Mittel fehlen, es zu erreichen. Anfangs ist man begeistert von einer neuen Idee, doch sobald man merkt, dass man erst Anträge stellen, ein Expertenteam finden und Kredite beantragen muss, lässt die Energie schnell nach. Selbst wenn man dranbleibt, kann es passieren, dass jemand anderes schneller ist – vielleicht, weil diese Person schon die nötigen Mittel hatte und direkt starten konnte.
Erfolgreiche Gründer stellen sich in unsicheren Situationen oft Fragen wie: „Wer bin ich?”, “Wofür brenne ich?”, “Was ist mir wichtig?”, “Was kann ich?”, “Wen kenne ich?” und “Welche weiteren Ressourcen habe ich sofort zur Verfügung?”.
Aus den Antworten leiten sie konkrete und machbare Handlungsoptionen ab. Es ist besser, die Ziele aus den Mitteln abzuleiten, die man bereits hat – nicht umgekehrt! So kommt man schneller ins Handeln und landet nicht direkt in einer Sackgasse. Später kann man die Ziele bei Bedarf schrittweise immer noch höher schrauben.
Leistbarer Einsatz
Es ist klar: Wenn die Zukunft unvorhersehbar ist, bringt es wenig, Entscheidungen auf Basis von Prognosen zu treffen. Je ungewisser die Situation ist, desto weniger sinnvoll ist es, sich auf einen erwarteten Ertrag zu verlassen. Erfolgreiche Unternehmerinnen verlieren in ungewissen Situationen keine Zeit mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen und treffen ihre Entscheidungen nicht auf Grundlage erwarteter Erträge – das sind nur Spekulationen! Ihnen ist bewusst: Bei echten Innovationen und „Neuland“ ist jede Entscheidung eine Wette!
Beim Wetten und Glücksspiel gilt: Handle immer so, dass du dir einen Verlust leisten kannst. Reduziere potenzielle Schäden, indem du in kleinen Schritten vorgehst, und sei dir bewusst, dass jeder Schritt ein Fehler und Dein Einsatz verloren gehen kann! Professionelle Anleger investieren ja auch nicht ihren gesamten Fonds in ein einzelnes Startup.
Deshalb liegt die Aufmerksamkeit von erfolgreichen Entrepreneuren darauf, wie viel sie sich gerade leisten können und wie sie damit möglichst viele verschiedene Wetten ausprobieren können. Damit kommen sie schneller ins Handeln und holen mehr aus dem raus, was ihnen zur Verfügung steht.
Partnerschaften
Im Mannschaftssport gewinnt nicht immer das Team mit den besten Einzelspielern. Und musikalische Innovation entsteht nur selten durch gecastete „Bands“.
Erfolgreiche Unternehmer wissen, dass echte Partnerschaften auf Augenhöhe, die eine gemeinsame Mission verfolgen und etwas bewirken wollen, stabiler und dynamischer sind als vertraglich geregelte Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen. Deshalb verschwenden sie in ungewissen Situationen keine Zeit mit Ausschreibungen oder der Suche nach dem vermeintlich optimalen Partner, den sie noch gar nicht kennen. Vertrauen und gemeinsame Ausrichtung stehen stattdessen im Vordergrund.
Deshalb fragen erfolgreiche Gründerinnen in ihrem bereits vorhandenen Netzwerk, ob jemand zu ihrem Vorhaben beitragen möchte und kann. Über bestehende Kontakte finden sie neue Kontakte, die zu Partnern werden. Sie arbeiten nur mit jenen, die wirklich mitmachen wollen und sind offen für neue Kooperationen. Sie freuen sich so nicht nur über hinzukommende Mittel, sondern heißen auch die Vorstellungen und Ziele der neuen Partner willkommen. Gerade zu Beginn lassen erfolgreiche Gründer es zu, dass ihre ursprüngliche Idee sich mit jedem neuen Partner co-kreativ weiterentwickelt.
Zufälle nutzen
Überraschungen können immer auftreten, selbst in vermeintlich stabilen und planbaren Umgebungen. Um Schäden durch solche Überraschungen zu minimieren, setzt man Risikomanagement-Methoden ein – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Dabei geht es immer darum, sich bestmöglich auf denkbare schädliche Ereignisse vorzubereiten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Das ist eine sinnvolle Herangehensweise!
In Situationen hoher Ungewissheit und Dynamik ist es jedoch nicht möglich, alle potenziellen Ereignisse vorherzusehen, geschweige denn sie zu bewerten und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Deshalb konzentrieren sich erfolgreiche Gründerinnen unter solchen Rahmenbedingungen eher auf die Chancen und neuen Möglichkeiten, die aus Überraschungen entstehen, anstatt sich ausschließlich gegen potenzielle Gefahren abzusichern.
Durch diese Haltung sind erfolgreiche Gründer offener für Zufälle und erkennen günstige Gelegenheiten früher als andere und ergreifen Chancen, die andere nicht sehen.
Zukunft gestalten
Das fünfte Prinzip ist eine Art Meta-Prinzip und beschreibt die Haltung hinter Effectuation:
Alles was ich selbst aktiv (mit-) gestalten kann, brauche ich erst gar nicht vorherzusagen!
Unter Ungewissheit geht es also vor allem darum, ins Handeln und aktive Gestalten zu kommen, da Analysen und Prognosen bei hoher Dynamik, Komplexität und Unsicherheit nicht verlässlich sind, dafür aber kostbare Zeit und andere Ressourcen kosten.
Kannst Du schon Effectuation?
Die Antwort ist: Ja! Jeder Mensch nutzt Effectuation – manche mehr, andere weniger. Und in der Regel unbewusst. Manchmal sogar mit einem schlechten Gewissen, weil man es ja anders gelernt hat.
Doch es gibt nicht die eine goldene Herangehensweise für alle Probleme und Situationen!
Unter stabilen, vorhersehbaren Rahmenbedingungen ist planvolles oder visionäres Handeln oft erfolgreicher als ein adaptierendes oder effektuierendes Vorgehen. Die hohe Kunst besteht darin, die eigene Handlungsstrategie entsprechend der jeweiligen Situation zu wählen.
Und das kannst Du erlernen und trainieren!
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Dieser wurde von Heiko Bartlog mit Unterstützung von Anton Skornyakov geschrieben.